Herzlich Willkommen im Textbüro Rügen
»Ich wollte schon als Kind Schriftstellerin werden«, ist ein immer wiederkehrender Satz auf Autorinnen-Seiten. Unbelegt wie er dasteht, ist er aber eine bloße Behauptung. Einer, der nur Eindruck schinden will, denke ich.
Ich, Sandra Pixberg, bin Autorin + Lektorin, Chefin und zugleich einzige Mitarbeiterin des Textbüros Rügen.
Und ja – ich wollte schon als Kind Schriftstellerin werden. An meinem 9. Geburtstag dachte ich, jetzt beginne »der Ernst des Lebens«, schließlich war ich endlich so alt wie Pippi Langstrumpf. Sie wohnte alleine, hob ihr Pferd hoch und beschützte sich selbst und ihre Freunde Anika und Tommy. Dazu fühlte ich mich nicht fähig. Ich blieb zuhause wohnen und schrieb meinen ersten Roman-Anfang. Mein Sandkastenfreund Michael und ich begaben uns darin mit der Bahn auf eine spannende Reise, schon allein, weil wir natürlich im falschen Zug saßen. Wie es ausging, weiß ich nicht. So weit kam ich nicht, aber es sollte nicht der letzte Roman-Anfang bleiben, den ich schrieb.
Mit 15 begann ich meinen sechsten Roman-Anfang, inspiriert durch ein Romanfigur, die in einem Märchenmond gefangen gehalten wird. Bei mir ging es um Dschütschi, einen mongolischen Jungen, der in der Wüste Gobi auf der Suche nach seiner Familie in eine Welt voller Sphinxe, Einhörner und anderer Fabelwesen gerät. Ich schrieb eine ganze Kladde voll und war tagelang nicht ansprechbar. Dann hörte ich wieder auf damit, ließ mich auf den Stoff des Geschichtsunterrichts ein und schrieb eine Kurzgeschichte über einen alten Mann mit einem Trauma aus dem Zweiten Weltkrieg.
Meine Freundin und Klassenkameradin Sam flüsterte mir in der Deutschstunde zu, es sei jetzt nur noch eine Frage der Zeit, bis auch mein Name und Werk in dem Buch zu finden wären, in dem wir gerade blätterten. Wir suchten im Deutschen Dichterlexikon Siegfried Lenz. Ich empfand Stolz angesichts meiner bevorstehenden Leistungen und dass meine Freundin an mich glaubte. Daraufhin handelte mein nächster Roman-Anfang von Freundschaft.
Nach der Pubertät grätschte das Leben dazwischen und ich schrieb Tagebücher. Eins nach dem anderen. Ein ganzer Stapel kam zusammen, ich absolvierte Abitur und begann ein Jura-Studium in Bremen. Dann stieg ich aus.
Ein Jahr verbrachte ich in Amerika, zunächst ein halbes sozial-arbeitend in Uruguay, dann ein halbes reisend durch den Amazonas bis Ecuador und zurück über Peru und Chile. Neben einem weiteren Tagebuch, das ich tatsächlich täglich führte, schrieb ich Kurzgeschichten, inspiriert vom Magischen Realismus. Wieder in Deutschland bot ich diese lose zusammenhängende Sammlung aus Prosa und Versatzstücken von Märchen und Geschichten allen namhaften Verlagen an und kassierte Absagen – von wirklich allen! Immerhin antworteten einige Lektoren persönlich, freundlich und aufmunternd.
Meine Magisterarbeit der Kulturwissenschaften beschäftigte sich mit dem Menschenbild in den Veröffentlichungen von deutschen Exil-Autorinnen und -Autoren, die während des Zweiten Weltkriegs nach Mexiko gekommen waren.
Nach dem Studium verlor ich mein Ziel, Schriftstellerin zu werden, vorübergehend aus den Augen: Ich arbeitete bei der Bremer Lokalredaktion der Tageszeitung Die Welt als freie Journalistin und schrieb für die Handelskammer Bremen PR-Texte. Meine Kurzgeschichten, die ich in dieser Zeit verfasste, landeten allesamt in Schubladen und sind verschollen. Auch der Roman-Anfang über skurrile Mitarbeiter einer Redaktion und darin besonders eines Chefredakteurs, dessen Hemdsärmel an den Ellbogen ständig durchgescheuert waren, verschwand. Immerhin war es der erste Text von mir, den ich schließlich zusammen mit dem Computer entsorgte – doch es sollte nicht der letzte sein.
Dann kam meine Tochter Laila zur Welt und ich schrieb ihr ein Tagebuch. Dann kamen meine Söhne Jakob und Kaarlo hinzu und auch für sie begann ich, die Kleinkinder-Phasen zu notieren. Inzwischen wohnten wir auf Rügen. Ich hatte zum ersten Mal den Auftrag, ein Buch zu schreiben. Es war eine Biographie über den Aufklärungspastor Johann Gottlieb Picht, die 2007 erschien. Neben der Leitung einer Laienredaktion in Bergen auf Rügen, schrieb ich Artikel für Urlaubsmagazine.
Ich hatte oft Sehnsucht nach Bremen. Also begann ich einen Bremer Regionalkrimi um den spanisch-deutschen Polizisten Christopher Arves zu schreiben. Zufällig plante zur gleichen Zeit eine Rügener Kollegin einen Reiseführer mit dem Bremer Verlag Edition Temmen. Sie vermittelte mich an den Verlagslektor, ich lieferte ein Probekapitel und ein Jahr später wurde zum ersten Mal aus einem Anfang von mir ein bis zum Ende geschriebener, gedruckter Roman. Doch ich lernte, dass man viel lernen muss, um gute Geschichten zu schreiben.
Seit 2010 besuche ich regelmäßig die Bundesakademie für kulturelle Bildung und eigne mir seither das Handwerk des Romane schreibens an. Noch immer häufen sich die Roman-Anfänge in den, in ferner Zukunft verschollenen, Schubladen. Auch Essays sind darunter. 2017 wurde ich Stipendiatin im Programm MENTORING KUNST des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Mit meiner Mentorin Lena Johannson führte ich viele Gespräche über den Literaturmarkt, die Chancen und die Risiken. Und ich schreibe meinen dritten Roman.